Seit sieben Jahren ist Bildungsministerin Mady Delvaux-Stehres nun bereits eifrig am Werkeln. Reform folgt auf Reform. Dabei scheint die Ministerin oder eher einige ihrer Beamten im Ministerium zeitweise zu vergessen, dass Quantität nicht Qualität bedeutet.
So muss man leider feststellen, dass die Reform der Grundschule überhastet und die Reform der Berufsausbildung nur unzureichend umgesetzt wurden. Selbst beim einem anderen wichtigen Vorhaben dieser Legislaturperiode, der Reform des Sekundarunterrichtes, herrscht jetzt bereits ein heilloses Durcheinander. Wie lässt sich ansonsten die gleichermaßen konfuse, wie kurze Debatte um die Semestereinführung erklären? Alles in allem verdient, nicht nur, aber insbesondere der Dialog mit dem Lehrpersonal wohl lediglich die Bewertung “mangelhaft”.
Inhaltlich sind bei der Reform des Sekundarunterrichtes einige gute Vorsätze zu erkennen, viele tragen jedoch der Realität nicht Rechnung. Zu dieser Realität gehört auch, dass es innerhalb unserer Gesellschaft eine beachtliche Diversität an Talenten und Bedürfnissen gibt. Wir brauchen nicht nur Banker, Anwälte und Ingenieure. So wie wir wirtschaftliche Hochleistungen benötigen, benötigen wir kulturelles Können, Wissen und Schaffen.
Wenn wir uns allein die gesellschaftliche Rolle der Kunst und ganz speziell der Musik einmal bewusst vor Augen führen, können wir deren herausragende Bedeutung für unser Leben nicht leugnen. Und so haben doch wohl auch künstlerisch begabte Kinder und Jugendliche ein Recht auf Anerkennung und Förderung in unserem öffentlichen Schulsystem. Dies war bisher zudem immer gewährleistet. Plötzlich will man nun aber den Jugendlichen, die ihr musikalisches Talent zu ihrem Beruf machen möchten, unnötig Steine in den Weg legen.
Anders kann man die geplante Abschaffung der Musiksektion im “Lycée” wirklich nicht bezeichnen. Zwar wird die Wahl einer Musikkarriere allgemein noch allzu oft belächelt, doch müssen die Schüler, die sie ernsthaft anstreben, ebenso hart arbeiten wie ihre Altersgenossen in anderen Bildungszweigen. Denn auch Musikhochschulen verlangen gewisse Wissens- und Leistungsstandards. Sind wir da nicht verpflichtet diesen Schülern wenigstens eine faire Chance zu geben, das geforderte Niveau unter zumutbaren Bedingungen zu erreichen? Sollten wir die Jugendlichen nicht weiterhin auf ihrem Weg unterstützen, anstatt ihnen diesen zu erschweren? Die paar Musikstunden jedoch, die zukünftig auf dem Lehrplan stehen sollen, werden sicher nicht ausreichen.
Wie erfolgreich eine konsequente Förderung sein kann, zeigen uns die Erfahrungen im Sport. Hier sorgt sogar ein eigenes Sportlyzeum dafür, dass Talente nicht vergeudet werden. Wenn aber dieser Minderheit eine zielstrebige, staatliche Förderung zugestanden wird, weshalb dann nicht auch den Jugendlichen in artistischen Bereichen wie der Musik? Weshalb wird von diesen in Zukunft verlangt, ihrer künstlerischen Ausbildung fast ausschließlich außerhalb der regulären Schulstunden und zusätzlich zu ihren schulischen Belastungen nachzukommen?
Wozu errichten wir dann eigentlich die glanzvollen Konzerthallen und die prächtigen Kulturbauten? Wozu brauchen wir eine Philharmonie, wenn wir es nicht einmal für nötig halten eigene musikalische Talente zu fördern?
Eine solche Geringschätzung der Schönen Künste, wie der betroffenen Jugendlichen, ist nicht zu verstehen. Und doch ist sie Sinnbild der Politik im Bildungsministerium. Eine Politik, die auf Reformen der Reformen halber aufbaut, anstatt darauf zu achten, dass Veränderungen auch immer Verbesserungen bedeuten. Verbesserungen für die Gesellschaft. Für die Eltern. Für die Lehrer. Aber in erster Linie – für die Schüler.
Marc Spautz
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