Vor einem Jahr wurde Lucien Thiel aus unserer Mitte gerissen. Fraktionspräsident Marc Spautz erinnert an einen Freund und Ratgeber.
Vor einem Jahr wurde Lucien Thiel aus unserer Mitte gerissen. Mit „Thiels Luss“ haben seine Frau Maggy, seine Tochter Corinne und sein Sohn Tom plötzlich und unerwartet den liebenswerten und zuverlässigen Partner und Vater verloren. Und wir alle haben einen herausragend klugen Kopf verloren, der mit Weitblick und Ausdauer Wesentliches für unser Land geleistet hat.
Lucien Thiel war ein Mann mit festen Überzeugungen, der sich aber nicht in Schubladen drängen liess. So beantwortete er bei seinem Antritt als CSV-Fraktionsvorsitzender die Frage, ob eine sogenannte „linksliberale Vergangenheit“ in der CSV nicht hinderlich sei, mit dem Hinweis, dass er nichts von solcher „Gesässgeographie“ halte. Und so war auch Schlagfertigkeit eine Eigenschaft, die Lucien Thiel stets auszeichnete.
Sein beruflicher Weg führte den gebürtigen Manternacher nach einem Studium des Journalismus, der Soziologie und der modernen Geschichte in Paris ,1966 zur Revue, deren Chefredakteur er war. Von 1981 bis 1990 leitete er auch als Chefredakteur die Wochenzeitung „Lëtzebuerger Land“. Dann wechselte Lucien Thiel zur Bankenvereinigung ABBL, und als deren Geschäftsführer hat er den Umbau, die Weiterentwicklung und die Diversifizierung des Finanzplatzes aktiv mitgestaltet.
Es war das Credo von Lucien Thiel, den Finanzplatz möglichst breit aufzustellen und monolithische Strukturen zu vermeiden, bzw. abzubauen. Für ihn ging es vor allem darum, nicht „alle Eier in einen Korb zu legen“. Dass der Finanzplatz Luxemburg, der aktuellen Krise besser standhält als andere Finanzstandorte ist auch dem Einsatz und dem Wirken von Lucien Thiel zu verdanken. Auch als CSV-Abgeordneter, blieb er seinen Überzeugungen treu und trat konsequent für die Diversifizierung des Finanzstandortes ein.
2004 trat ,zur Überraschung vieler, Lucien Thiel für die CSV bei den Legislativwahlen vom 13. Juni im Zentrum an und wurde prompt gewählt. Von Anfang an, bereicherte Lucien Thiel die CSV Fraktion mit seiner Erfahrung, seiner unbestreitbaren Kompetenz und der ihm eigenen Schaffensfreude und Humor. Neben der Finanz- und Wirtschaftspolitik, lagen die Schwerpunkte seiner politischen Arbeit, beim Öffentlichen Dienst, sowie der Kommunikations- und Medienpolitik. Eine besondere Aufmerksamkeit widmete Lucien Thiel auch der Bildungspolitik. Die Ausbildung und die Erziehung unserer Kinder war für ihn „die Priorität unter den Prioritäten“. Nicht überraschend für einen Menschen, der stets mit Zuversicht in die Zukunft blickte. Es ist daher dann auch fast schon selbstverständlich, dass Lucien Thiel, sich fervent für die Uni Lëtzebuerg eingesetzt hat und Mitbegründer der Luxembourg School of Finance war.
Lucien Thiel war ein verlässlicher politischer Mitstreiter, dem schwierigste Dossiers anvertraut werden konnten: Gleich zweimal, für die Haushaltsjahre 2007 und 2010, war er der Budgetberichterstatter. Vorausschauend warnte er dabei vor „der Krise hinter der Krise“ und den wachsenden Problemen mit der Finanzierung unserer Altersversorgung. Auch leitete er die parlamentarische Spezialkommission, die sich mit der Wirtschaftskrise auseindersetzte.
Mit seiner Einsatzbereitschaft und seinem Bestreben unterschiedliche Positionen zu einander zuführen, erarbeitete sich Lucien Thiel parteiübergreifend Anerkennung und Respekt. Es war daher nur logisch, dass nach dem Ausscheiden von Jean-Louis Schiltz aus der Politik, Ende Februar 2011, Lucien Thiel den Fraktionsvorsitz von den CSV Abgeordneten anvertraut wurde. Als Fraktionsvorsitzender war ihm sein Ziel dabei von Anfang an klar: Die Reformvorhaben der Koalition mit einer geschlossenen Mannschaft voranzubringen. In dem knapp halben Jahr an der Spitze der Fraktion ,nahm er sich dieser Aufgabe an, und es gelang ihm, in der nur kurzen Zeit, wichtige Akzente zu setzen.
Für mich persönlich, war die Zusammenarbeit mit meinem Freund Luss ein Privileg und eine grosse Chance. Diese Zusammenarbeit, die seit 2004 im Parlament und in der Fraktion stattfand, beruhte dabei auf der jahrelangen gemeinsamen Arbeit in den Gremien und Sitzungen im Rahmen der luxemburgischen Sozialpartnerschaft und hier insbesondere in der Tripartite.
Lucien Thiel, der Patronatsvertreter und Marc Spautz, der Salariatsvertreter: Viele hat unser enges und freundschaftliches Verhältnis erstaunt, manche haben es sogar argwöhnisch beäugt. Doch, auch wenn wir beide unterschiedliche Interessen vertraten und manche harte Verhandlungsrunde geführt haben, hat uns dies nie davon abgehalten, im Dienst der gemeinsamen Sache zusammenzuarbeiten. Gemeinsam, mit vielen anderen, ist es uns gelungen, das wirtschaftliche, soziale und arbeitsmarktpolitische Instrumentarium unseres Landes am Laufen zu halten, zu verbessern und an neue Herausforderungen anzupassen.
Ob als Journalist, Geschäftsführer der ABBL, Parlamentarier und Fraktionsvorsitzender der CSV, Lucien Thiel vertrat immer den Standpunkt, dass die Wirtschaft im Dienst des Menschen stehe und nicht umgekehrt. Auf dieser Grundlage hat er gedacht und gehandelt, und so ist ihm oft der Brückenschlag gelungen, wo andere resigniert haben und gescheitert sind.
Lucien Thiel wird vermisst, als Ratgeber, als Freund und als Mensch.
Marc Spautz
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