Die Regierung und das Referendum: Von der Leichtigkeit des politischen Seins

Dreimal ein klares Nein. Die CSV gehört zu den Gewinnern des konsultativen Referendums vom 7. Juni 2015, oder wie sehen Sie das?

Marc Spautz: Es geht hier nicht darum, ob wir zu den Gewinnern oder Verlierern zählen. Die Wähler haben eine klare Sprache gesprochen. Sie haben mit überdeutlicher Mehrheit die Vorschläge der Koalitionsparteien abgelehnt. Es war keine Abstimmung für oder gegen die CSV. Es ging um drei Fragen, zu denen wir uns als Partei klar positioniert haben. In der Kampagne haben wir auf Information und Argumente gesetzt. Das war verantwortlich. Dazu stehen wir.

Claude Wiseler: Wir haben uns klar positioniert und einen anderen Weg aufgezeichnet. In allen drei Fragen. Vor allem aber beim Ausländerwahlrecht, wo für uns die Reform der Nationalitätengesetzgebung der richtige Ansatzpunkt ist. In eben diesem Zusammenhang haben wir einen konkreten Gesetzvorschlag eingebracht. Wir stehen nach wie vor zu diesem Reformprojekt.

Nach dem Referendum müssen nun politische Schlussfolgerungen gezogen werden. Was muss die Regierung tun? Was der Regierungschef? Fordert die CSV den Rücktritt?

MS: Wir sind uns auch in dieser Frage konsequent und fordern gar nichts. Das haben wir vor den Wahlen gesagt. Daran halten wir uns. Die Regierungsparteien und der Premier müssen mit diesem Votum umgehen. Sie müssen die richtigen Schlussfolgerungen ziehen. Wir wüssten als Partei und als verantwortliche Politiker jedenfalls, was wir zu tun hätten. Es gibt übrigens in der politischen Geschichte Beispiele genug, die zeigen, was man nach einer solchen Niederlage tun sollte.

CW: Wäre ich Premierminister, hätte ich am Montag morgen den Schritt unternommen, der sich nach einer solch deutlichen Botschaft der Wähler aufdrängt. Diese Regierung hat unserer Meinung nach einfach nicht mehr den nötigen Rückhalt, um wichtige Reformen für das Land anzugehen. Blau-Rot-Grün steht vor einem Scherbenhaufen. Die Koalition sieht das offenbar anders und setzt auf „weiter so“.

Und was bedeutet denn der erwähnte „Scherbenhaufen“ konkret“ ?

MS: Dass das Land gespalten ist. Im Laufe der Kampagne zum Referendum wurden tiefe Gräben aufgeworfen und Debatten provoziert, die Luxemburg wirklich nicht gut tun. Wir waren gegen das Referendum und haben vor negativen Auswirkungen gewarnt. Die Regierung wollte nichts von diesen Risiken wissen und hat alles daran gesetzt, ein Referendum gegen die CSV zu organisieren.

CW: Premier Bettel hat bei seiner Werbetour für das Ja immer wieder betont, er wolle dem Volk einen Spiegel vorhalten und wissen, was es denkt. In den Spiegel muss sich jetzt die Regierung schauen. Die Art und Weise, wie diese Regierung vorgegangen ist, zeigt wie wenig Gespür sie für die Gefühle und Anliegen der Bevölkerung hat.

Nun muss es nach dem Referendum weitergehen, auch was die Bemühungen für mehr Integration angeht.

MS: Die CSV ist und bleibt eine Partei die für Integration, Partizipation und soziale Kohäsion steht. Wir teilen die Gesellschaft nicht in Klassen ein und wehren uns gegen ein Land, in dem nur die Eliten zählen und bestimmen, wo es hingehen soll. Wir haben ein ganzheitliches Bild der Gesellschaft und gestalten unsere Politik so, dass jeder einzelne zählt.

CW: Wir werden in der Nationalitätenfrage weiter für unsere Vorschläge eintreten und hoffen, dass sich eine breite Mehrheit für Anpassungen der Nationalitätengesetzgebung finden wird.

Wir werden auch aktiv für neue Wege der politischen Bildung und eine stärkere Einbindung der Jugendlichen in die politische Entscheidungsfindung eintreten. Wir haben unseren Weg in der Referendumskampagne beschrieben. Wir gehen diesen Weg weiter.

Am Dienstag wurde im Parlament über das Referendum debattiert. Was behalten Sie von diesen Diskussion zurück?

MS: Eine Regierung die Fehler eingesteht aber keine Konsequenzen zieht. Geradezu ein Beispiel an schlechtem Stil ist der Fraktionschef der DP. Wer in einer öffentlichen Kammersitzung einen Vergleich zwischen dem Referendum vom Sonntag und einer Urabstimmung über Freibier zieht, beweist wie losgelöst er vom Wahlvolk ist.

CW: Ich bin wirklich enttäuscht über die Reaktion der Regierung. Ein einfaches „zurück zur Tagesordnung“ können wir nicht akzeptieren. Das werden auch die Wähler nicht akzeptieren. Ich hätte mir eine staatsmännische Reaktion gewünscht. Aber es wundert mich eigentlich nicht, wie die Koalitionsparteien reagiert haben. Es hat sich auch nach dem Referendum nicht viel an der Haltung von Blau-Rot-Grün geändert. Leider, muss ich sagen. Es bleibt bei der Leichtigkeit des politischen Seins.

Konklusiounen vum Referendum vum 7. Juni 2015. D’Riede vu Claude Wiseler a Marc Spautz

Zwee Deeg nom Referendum vum 7. Juni 2015 war eng Debatt an der Chamber iwwert dee Referendum. D’CSV huet sech duerchgesat fir iwwerhaapt esou eng Debatt ze kréien. D’Presidente vu Partei a Fraktioun, de Marc Spautz an de Claude Wiseler hunn drop higewisen wat d’Regierung mat dësem Referendum ugeriicht huet : D’Land steet virun engem Koup Schierbelen, d’Gesellschaft ass gespléckt an d’Regierung weist all Verantwortung vu sech.

D’CSV wollt dee Referendum net an hat virausgesot, dass dat net gutt fir dat gutt Zesummeliewe wat mer kennen, wär. D’CSV hätt sech och eng Diskussioun am Virfeld gewënscht fir ze kucken ob een net awer een Accord fonnt hätt, zum Beispill iwwert eng Vereinfachung vum Nationalitéitegesetz. A wann ee schonn d’Leit freet, hätt een hinne kéinte méi wéi Jo oder Nee, mä richteg Alternative proposéieren.

D’CSV ass net um Chaos Schold, hëlleft awer beim Opraume vun de Schierbelen an huet dofir konkret Propose gemaach fir Auslänner a Jonken entgéint ze kommen.

Amateurhaft

Die CSV setzt in der Referendumskampagne, die jetzt in ihre Schlussphase kommt, eindeutig auf die Kraft der Argumente. Bei jeder der drei Fragen hat die CSV eine Position bezogen, die rational begründet ist. Die CSV ist eindeutig für die verstärkte politische Teilhabe unserer nicht-luxemburgischen Mitbürger. Sie will, dass die Partizipation der Jugendlichen am politischen Leben besser gefördert und unterstützt wird. Die CSV tritt für die politische Erneuerung ein, ohne dass dem Wählerwillen Fesseln angelegt werden.

Daher sagt die CSV deutlich ja zur politischen Erneuerung aber sie lehnt das Zeitlimit von zehn Jahren für Ministermandate ab. Politische Erneuerung kann nicht dekretiert werden. Es ist die Freiheit der Wählerinnen und Wähler, während Wahlen uneingeschränkt ihre Präferenz für diese oder jene Persönlichkeit zum Ausdruck zu bringen.

Vor allem schwächt der Vorschlag eines Zeitlimits unser Land auf internationalem und europäischem Parkett. So wie wir eine jüngere politische Generation brauchen, die sich mit neuen Initiativen hervortut, brauchen wir erfahrene Politiker, die sich in den internationalen Institutionen auskennen und deren Stimme durch langjährigen Einsatz Gewicht hat.

Daher bekennt sich die CSV zu einer größeren und umfassenderen politischen Partizipation der Jugendlichen. Doch Wahlrecht und Volljährigkeit gehören zusammen. Werden bestimmte Rechte von der Volljährigkeit abgekoppelt, besteht das Risiko, dass auch Pflichten von der Volljährigkeit gelöst werden.

Besonders auch setzt die politische Partizipation der Jugendlichen eine umfassende politische Information und Bildung voraus. Und hier herrscht Aufholbedarf. Um nicht nur eine Minderheit für die politische Sache zu begeistern, muss auf der Grundlage eines Gesamtkonzeptes die politische Bildung in den Schulen flächendeckend gefördert werden. Die CSV will, dass Kinder und Jugendliche eine Stimme bekommen, die gehört wird. In diesem Sinne tritt sie dafür ein, dass das Jugendparlament größere Befugnisse erhält und in den Gemeinden Kindergemeinderäte und Jugendkommissionen geschaffen, unterstützt und in die Entscheidungen mit eingebunden werden.

Daher spricht sich die CSV für mehr Mitsprache der nicht-luxemburgischen Mitbürgerinnen und Mitbürger aus. Dieses zentrale Ziel in unserer multikulturellen Gesellschaft ist deutlich besser zu erreichen über die Reform des Nationalitätengesetzes als über ein fakultatives Wahlrecht, das die Wähler in Bürger erster und zweiter Klasse einteilt. Die CSV will die reale Stärkung der politischen Partizipation über die Reform des Nationalitätengesetzes. Ein wichtiger Aspekt dieser Reform, die von der CSV im Rahmen eines Gesetzesvorschlags unterbreitet wurde, ist die Einführung des Geburtortsprinzips. Die Kinder von ausländischen Eltern erhalten mit 18 Jahren automatisch die luxemburgische Staatsangehörigkeit, wenn sie während mindestens fünf Jahren seit dem Alter von zwölf Jahren ihren ständigen Wohnsitz in Luxemburg hatten.

Weitere Aspekte des CSV-Vorschlags sind die Reduzierung der Dauer des obligatorischen Wohnsitzes von sieben auf fünf Jahre sowie die Abschaffung der Wohnsitzklausel für Eheleute, die mit einem Luxemburger oder einer Luxemburgerin verheiratet sind. Darüber hinaus setzt sich die CSV dafür ein, dass die sprachliche Integration noch weitergefördert wird.

Die CSV macht in der Referendumskampagne, ruhig und sachlich, ihre Standpunkte deutlich. Sie konzentriert sich auf die tatsächlich gestellten Fragen. Die CSV erfüllt ihre Aufgabe weit besser als die Regierung und die Mehrheitsparteien, die das Referendum unterschätzt und amateurhaft vorbereitet haben.

Marc Spautz
Abgeordneter und Parteipräsident