Luxemburg braucht einen Zukunftstisch

Luxemburg braucht einen Zukunftstisch an dem eine mittel- und langfristige Vision entworfen wird, wie es mit der landesplanerischen, aber ebenso mit der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung des Landes weitergehen soll.

Sicher, es wäre illusorisch, die Zukunft eines Landes und seiner Gesellschaft auf dem Reißbrett planen zu wollen, aber über die Zukunft muss trotzdem intensiv und strukturiert nachgedacht werden.

In den beiden vergangenen Jahren hat das Bevölkerungswachstum unvermindert angehalten. Die Einwohnerzahl hat am 1. Januar 2016 576.249 Einwohner betragen. Im Vergleich zum 1. Januar 2015 hat die Bevölkerung um fast 14.000 Personen zugenommen. Das Wirtschaftswachstum betrug 2015 nach der letzten Schätzung des Statec 4,8 Prozent. Die Gesamtbeschäftigung lag Ende 2015 bei über 412.000 Arbeitsplätzen, womit im Vergleich zum Vorjahr 2014 über 10.200 neue Arbeitsplätze geschaffen wurden.

Die Folgen dieser Dynamik bemerken wir tagtäglich: Der Wohnungsmarkt steht weiter unter einem enormen Druck, das Verkehrsnetz ist, insbesondere zu den Stoßzeiten, zusehends überlastet.

Für die CSV ist es deshalb eine zentrale Frage, wo wir hinsteuern. Die CSV tritt daher dafür ein, dass eine strukturierte Diskussion über das Wachstum und die Entwicklungsperspektiven des Landes geführt wird.

Es sind viele unterschiedliche Aspekte, die in dieser Diskussion in Betracht gezogen werden müssen. Um nur einige Beispiele zu erwähnen:

  • Die demographische und wirtschaftliche Dynamik bedingt dass Schul-, Sozial- und Verkehrsinfrastrukturen, laufend ausgebaut, erweitert und vergrößert werden müssen. Das stellt den Staat und ebenso viele Gemeinden permanent vor große Herausforderungen. Die benötigten neuen Infrastrukturen müssen finanziert werden und ebenso muss der notwendige Platz vorhanden sein.
  • Die Leistungsfähigkeit der fünf Pfeiler unserer sozialen Sicherheit (Arbeitslosenversicherung, Altersversorgung, Kranken-, Unfall- und Pflegeversicherung) ist auf einem hohen Niveau. Um sie dauerhaft zu finanzieren, bedarf es eines jährlichen Wirtschaftswachstums von vier Prozent, sowie einer Beschäftigung, die entsprechend expandiert.
  • Die Kostenspirale am Wohnungsmarkt dreht unvermindert weiter, trotz der vollmundigen Versprechen der ehemaligen Wohnungsbauministerin und ihres Nachfolgers. Um bei einer stetig wachsenden Bevölkerung die Nachfrage am Wohnungsmarkt zu befriedigen, müssen jedes Jahr 6.500 Wohneinheiten errichtet werden. Pro Jahr werden jedoch weniger als 3.000 Wohnungen fertiggestellt.
  • Der zunehmende Verkehr aufgrund der wachsenden Bevölkerung und des expandierenden Arbeitsmarkts stellt eine Herausforderung dar, die zusehends schwieriger zu bewältigen ist. Überdies droht die Verkehrsüberlastung zu einem Standortnachteil zu werden. Die in Luxemburg angesiedelten Betriebe sind auf Arbeitskräfte aus der Großregion angewiesen. Rund 174.000 Grenzgänger trugen 2015 zum wirtschaftlichen Erfolg in Luxemburg teil. Diese werden unser Land jedoch mehr und mehr meiden, wenn der Weg zur Arbeit bzw. die Heimfahrt nach Feierabend einen zu großen Zeitverlust darstellt. So müssen Grenzpendler z.B. von Trier oder Thionville für die tägliche An- und Rückfahrt über drei Stunden berechnen.

Wieviel Wachstum wollen wir? Wieviel Wachstum brauchen wir? Es gibt keine einfachen Antworten auf diese Frage, die mit zahlreichen Widersprüchen und gegensätzlichen Erwartungshaltungen behaftet ist.  So führt z.B. die Expansion des Arbeitsmarkts zu zunehmenden Verkehr, Infrastrukturen müssen ausgebaut werden mit allem was das an Investitionskosten, Umweltbelastung und Einschnitten bei der Lebensqualität bedeutet. Andererseits sind wir auf einen expandierenden Arbeitsmarkt angewiesen, um die Finanzierbarkeit unserer sozialen Sicherungssysteme zu gewährleisten.

Das ist nur ein Beispiel für die komplexen Problemstellungen bei der Entwicklung des Landes die die CSV an einem Zukunftstisch erörtern will, ein Zukunftstisch an dem die Politik, Sozialpartner und Zivilgesellschaft gleichberechtigt und auf Augenhöhe diskutieren.

Es ist bedauerlich, dass die Regierung in diesem Zusammenhang allen Lippenbekenntnissen zum Trotz eine gleichgültige bis ablehnende Haltung hat, umso mehr mit den Grünen eine Partei Regierungsverantwortung trägt, die als Oppositionspartei  in der Vergangenheit mit besonderer Vehemenz einen Zukunftstisch gefordert hat. Als vor einer Reihe von Jahren der damalige Premier Jean-Claude Juncker den 700.000-Einwohnerstaat in Aussicht stellte, liefen die Grünen Sturm vor Entrüstung. Der grüne Berichterstatter zum Staatshaushalt 2016 erörterte indes vor wenigen Monaten den Weg in den 1,1-Millionen-Einwohner-Staat, ohne dass daran seine grünen Mitstreiter oder die Ökolobby Anstoß nahmen.

Für die CSV gibt es Alternativen zum 1,1-Millionen-Einwohner-Staat. Sie setzt sich deshalb für die Einsetzung des Zukunftstischs ein, wo auf eine strukturierte und transparente Weise über die Entwicklungsperspektiven des Landes diskutiert wird und wo alle Handlungsoptionen auf den Tisch kommen.

Marc Spautz
Abgeordneter und CSV-Parteipräsident

Quelle: Luxemburger Wort (09/04/2016)

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