Die Rede zur Lage der Nation von Premierminister Xavier Bettel war eine große Enttäuschung. Darauf hat in der Folge die CSV-Opposition hingewiesen. Das war aber auch der allgemeine Tenor in der Presse, die scharf mit der Regierung ins Gericht ging. Ganz zu schweigen von den Arbeitgebern, die sich bei der Neuregelung der Arbeitszeiten von der Regierung verschaukelt fühlen.
Und Tatsache ist: Wer sich Ideen für die weitere Entwicklung unseres Landes erwartet hatte, wartete vergeblich. Stattdessen wurde die administrative Regierungsarbeit bilanziert. Eine politische Rede ist etwas anderes.
Die Rede zur Lage der Nation war ein weiterer Beleg dafür wie Anspruch und Wirklichkeit bei Rot, Blau und Grün auseinanderklaffen.
Einige Beispiele: Xavier Bettel verweist stolz auf den Rückgang der Arbeitslosigkeit. Doch es sind immer noch 17.405 Personen beim Arbeitsamt eingeschrieben. Fast die Hälfte davon sind Langzeitarbeitslose, deren Chancen auf dem Arbeitsmarkt von Tag zu Tag schwinden. Das trotz eines expandierenden Arbeitsmarktes und trotz der Reclassement-Reform vom vergangenen Jahr sowie der Zunahme bei den Invalidenrenten, die die Arbeitslosigkeitsstatistiken bedeutend verbessern.
Ein zweites Beispiel: Der Premierminister erklärte nicht einmal ansatzweise mit welchen Strukturmaßnahmen die Regierung gedenkt gegen die Schieflage am Wohnungsmarkt vorzugehen. Pro Jahr werden weniger als 3000 Wohneinheiten fertiggestellt bei einem konkreten Bedarf von 6.500 Wohnungen. Nach dem Fiasko mit der zurückgetretenen DP-Wohnungsbauministerin, die viel versprach aber nichts lieferte, waren die zwei letzten Jahre verlorene Jahre. Es muss zu prozeduralen Vereinfachungen und der Beseitigung von administrativen Blockaden kommen mit dem Ziel schneller und mehr zu bauen. Doch dazu kein Wort im „Etat“.
Die Steuerreform ist ein drittes Beispiel wie sehr Anspruch und Wirklichkeit bei der aktuellen Regierung auseinanderklaffen. Sie entpuppt sich vor allem für Familien und Haushalte mit bescheidenem Einkommen als soziale Mogelpackung. Das umso mehr, wenn sie im Verbund mit anderen Politiken und besonders der Familienpolitik betrachtet wird. Die Reihe von unsozialen Maßnahmen wird fortgesetzt z.B. mit der Kindergeldreform, die kinderreiche Familien schlechter stellen wird.
Fakt ist, um eine Steuerreform zu finanzieren mit der die Regierung inständig hofft, die verspielte Gunst der Bevölkerung zurückzugewinnen, zögert sie nicht, dem Bevölkerungsteil, der es von vorneherein schwieriger hat, die notwendige Unterstützung zu entziehen. Das ist das Gegenteil einer Politik des sozialen Zusammenhalts.
Gleichzeitig müssen die drei Regierungspartner für ihre Reformpläne auf ein ungezügeltes Wachstum setzen und dieses Wachstum sogar regelrecht forcieren, Stichwort 1,1-Millionen-Einwohner-Staat. Die massiven Folgekosten dieses Szenarios in Punkto Lebensqualität, leistbarer Wohnungen, Mobilität, Flächenversiegelung, explodierender Investitionskosten für gesteigerten Infrastrukturausbau usw. usf. werden völlig ausgeblendet.
Nach uns die Sintflut, nach diesem Motto tickt die (im wahrsten Sinne des Wortes) ratlose Regierungsmannschaft. Sie hat keinen Blick für die Zukunft, weil die Anforderungen der Gegenwart sie bereits heillos überfordern.
Marc Spautz